Hintergrund

Am Anfang war die Dokumentation.

Das Internet ist ein flüchtiges Nachrichtenmedium, Nachrichten-Websites weisen heutzutage nur eine sehr kurze Halbwertszeit auf: Stunden, höchstens Tage nach der Veröffentlichung auf einer Internetseite ist die Nachricht zumeist schon wieder verschwunden.

So entstand im Jahre 2012 PermaNet365, dessen Idee weit über die bekannten Internet-Archive hinausgeht. Zunächst wurden nationale und internationale relevante Nachrichten-Websites ausgewählt, wobei ein möglichst großes Spektrum an Nachrichtenqualität abgebildet wurde (von Qualitätsjournalismus bis zu Boulevardmedien). Die Websites deckten die Länder verschiedener Kontinente ab. Im gesamten Jahr 2012 und für die aktuelle Serie im Jahr 2016 wurde jeden Tag die jeweilige Aufmachermeldung der Websites (Top-Nachricht) dokumentiert. Die Dokumentation erfolgte durch Abfotografieren eines Computerbildschirms mit einem digitalen Fotoapparat. So entstanden bislang über 12.000 Einzelbilder und mehr als 16 Milliarden dokumentierte Pixel.

Pixel

Das Pixel, die kleinste grafische Einheit, aus der optische und inhaltliche Tiefe entsteht, bildet die Basis der PermaNet365-Arbeiten.

 

Daten zu Materie zu Kunst

Dabei entstehen Bilder und Daten, die nicht nur gespeichert werden, sondern in materialisierter Form reproduziert und so erhalten werden. Neben der Idee der Archivierung und des Erhalts der Nachrichten für die Nachwelt rückte im Entstehungsprozess zunehmend der grafische Aspekt der Bilder in den Vordergrund. Durch das Abfotografieren des Bildschirmes mit der Kamera entstehen Bilder mit besonderer grafischer Wirkung. Bewusst werden die gewählten Bildausschnitte vergrößert, sodass die einzelnen Bildschirm-Pixel sichtbar werden und den Werken eine optische Tiefe verleihen. Dass dabei der ursprüngliche Bildinhalt und -sinn nicht erhalten bleibt, ist gewünscht. Die ursprüngliche Nachricht tritt so während des Reproduktionsprozesses in den Hintergrund, und es dominiert der optische, grafische, ja künstlerische Eindruck. Neben der Tiefenwirkung durch die pixelige Reproduktion bleibt auch die inhaltliche Tiefe der Werke durchaus erhalten, auch wenn sie sich oft nicht umgehend für den Betrachter erschließt. Um die dargestellten Ereignisse in ihrem geschichtlichen Zusammenhang werten zu können, liegt zwischen der Dokumentationsphase und der Präsentation der Werke stets eine gewisse Zeitspanne. Die Werke der Dokumentatiosperiode 2012 erscheinen 2016/2017, die aus 2016 im Jahr 2020.

 

Original-Website vom 15.12.2012 “New Town”, 2012, 90 x 60 cm A1 (The Tile), 2012, 20 x 20 cm

 

Optische und kontextuell-inhaltliche Tiefe

Medienmeldungen sind nicht immer gute Nachrichten. Oft geht es um Wahlsiege, Errungenschaften, große Leistungen. Aber es wird auch über Katastrophen, Diktatoren und Massenmord berichtet, “only bad news are good news”. Gerade durch verstörenden Nachrichten, die es auf die Acrylglas-Fotografien geschafft haben, wird beim Betrachter eine besondere Spannung ausgelöst. Die optisch-grafisch ansprechende Darstellung stemmt sich gleichsam gegen die (schreckliche oder positive) Nachricht. Es liegt beim Rezipienten, welche Deutung und Empfindung er innerhalb dieses Spektrums zulässt.

Man führe sich den Weg der optischen Information und deren Transformation vor Augen. Der Verarbeitungsprozess vom Moment der initialen Bildaufnahme vom Geschehen selbst bis hin zur Veröffentlichung auf einer Nachrichten-Website ist heute Routine, zumeist eine innerhalb von Stunden ablaufende. Erst durch das erneute Festhalten der einzelnen Pixel des Bildschirms und der Wiedergabe selbiger in materialisierter Form als reproduziertes Werk erfolgt die eigentliche Transformation: Die ursprüngliche Geschichte gerät in den Hintergrund, verliert an Bedeutung und lässt die pure grafische Gestaltung und Wirkung an ihre Stelle rücken.

Das Ergebnis sind technisch hochwertig produzierte Bilder, deren Motive vom Zeitgeschehen meist aufgeladen sind und die durch ihre grafische Präsenz bestechen. Auf glatter Oberfläche reproduziert, verfügen Sie dennoch über eine immense räumliche Wirkung, die manchmal auch ein bisschen an Werke früherer Maler erinnert, die ihre Kunst mit dem Pinsel auf strukturierte Leinwände bannten.

Leinwand-artige Wirkung der Pixelstruktur: Ausschnitt “Winter”, 2012, 45 x 30 cm, Foto hinter Acrylglas